Pandemie und Resonanzraum

Dieser Überblick als Versuch einer digitalen Ausstellung zeigt unsere, überwiegend im Zeitraum des ersten Halbjahres 2021 entstandenen Bildwerke. Die Zeichnungen und Fotografien, die skulpturalen Objekte und die Ölmalerei sind ohne direkte Themen entstanden, aber doch unter dem Eindruck einer verkehrten Welt, in der unsere bekannten Gesetzmässigkeiten, Vorstellungen, und Regeln ausser Kraft gesetzt oder zumindest eingeschränkt wurden. In den Arbeiten erscheinen so Gedanken zu Masken und zur Privatsphäre, zu Vereinzelung und zum Phänomen der Menge, zur Frage nach Zukunft und der Entstehung und so zum Mikro- und Makrokosmos. Nicht nur in den Bildern, auch in die online geführten Diskussionen ging es um Fragen, inwieweit die Pandemie die ohnehin virulenten gesellschaftlichen Prozesse von Spaltung und Abkoppelung negativ begünstigt oder die Menschen nunmehr verstärkt das Gegenüber als Bedrohung wahrnehmen. Stark empfundenes Inseldasein und erzwungene Isolation kann zur Wahrnehmung von Enge in Gruppen führen. Die Bilder sind damit – auch neben aller aktuellen Inhaltlichkeit – Momentaufnahmen aus einem Prozess künstlerischer Entwicklung und damit immer Ausschnitte aus der individuellen Zeit: die Beteiligten dieses Projektes reagieren als Kunstschaffende im Vertrauen auf ihre eigene Bildmächtigkeit inmitten eines ihnen und uns unbekannten Resonanzraumes und das gelingt ihnen, so finden wir als Anleitende und Initiatoren dieses workshops, ziemlich gut.

Peter Boué, Claus Sautter im August 2021

    Peter Boué

    Bildender Künstler mit Schwerpunkt auf der Zeichnung. Dabei auch häufig als Autor zur Kunst, als Kurator und seit etwa zehn Jahren auch mit der Lehre und Vermittlung von Kunst und künstlerischen Techniken unterwegs.

    Der CLICKDOWN-Kurs gehört für mich eindeutig zu den guten Erfahrungen in dieser Zeit der Abhängigkeit von den digitalen Techniken.

    Grotten und Höhlen

    Immer wieder lande ich in Grotten und Höhlen, es kann sein, dass ich ein Fall für den Facharzt bin. Das macht aber auch nichts und da wäre ich ich schliesslich auch nicht der einzige, der hier eine merkwürdige Obsession hat. Obwohl das ein bisschen weit gegriffen wäre. Als Motiv finde ich sie interessant – als Keimzelle der Privatheit sowie aller Kunst und letzter Rückzugsort dahin – aber auch als zeichnerische Herausforderung darin, kleine und kleinste Striche mit Licht und Schatten zu versehen.
    Jedenfalls kennt Ihr meine Fratzen-Grotten schon von früheren Einträgen. Hier zeige ich weitere aus dem letzten Jahr und eine gerade abgeschlossene.

    Neue Masken II

    … hier weiter einige Masken oder Maskenähnliche. Die Maske ist ja etwas Uraltes, das es lange vor dem menschenähnlichen Porträt gegeben hat, damit aber im Zusammenhang steht. Mir ist das Archaische dieses Themas eigentlich immer bewusst, denn es geht oder ging ja immer darum, mit der Maske etwas zu verstecken oder zu zeigen. Ein Wissenschaftler hat mal gesagt, dass nach der Renaissance “das Porträt an die Stelle der Maske” getreten ist. Das kann man eben so verstehen: das Bild meines Gesichts ist die Maske, die ich trage. Dazu passt, dass etwa in alten Kulturen Ozeaniens andersherum die Maske erst mein Inneres zeigt. Ein immer komplexes und spannendes Thema …

    Masken gestern und heute

    Masken und Köpfe habe ich seit etwa 10 Jahren immer wieder gezeichnet, meistens nach Vorlagen historischer Stücke aus dem Museum oder nach gefundenen Fotos. Bekannt ist seit langem die mittelalterliche Maske des Pestarztes, hier in zwei Versionen von ca. 2012. Im letzten Jahr habe ich, durch die Unvermeidlichkeit des Mund-Nasen-Schutzes angestossen, einige natürliche Masken, aus Wurzelholz oder Birkenborke selbst zusammengestellt und gezeichnet. Sowohl die früheren wie die aktuellen sind mit ca. 70 x 60 cm ziemlich groß.

    Ausstellung nachtspeicher23

    Hier wie zuletzt angedeutet die Ausstellung, die sich nur um Worte (= Wortketten und einzelne Begriffe) dreht und heute von uns aufgebaut wurde. Wobei aufgebaut etwas übertrieben ist, denn hingelegt würde mehr stimmen. Zu betreten ist ist die show wie so vieles nicht, aber im Netz, Homepage und Instagram werden täglich neue Bilder hochgeladen. Hier eine kleine Kostprobe …

    SELBSTLIEBE / ACHTSAMKEIT

    Das sind Vokabeln, die ich von jeher als Fremdworte empfand, das meint für meine Befindlichkeit. Ich neige und neigte immer schon zur inneren und äusseren Verschwendung der Ressourcen. Man hört davon aber immer öfter in dieser Zeit und heute sah ich es auf einer grossen Billboard-Werbetafel, die beim näheren Lesen eher damit zu tun hatte, die Leute zu schützen und von der Straße zu holen. Was mich dazu trieb, diese Worte als umgekehrte Zeichen zu lesen, als etwas Anmaßendes gegenüber der Not, kann ich nicht sagen. Man reagiert manchmal etwas gegenläufig in dieser Zeit.

    Im Moment bin ich an Stempelbildern dran, für ein Projekt mit zwei Kollegen. So verwendete ich die Worte auf zwei größeren Bildern auf von mir unbehandeltem Papier, sehr klein gestempelt, sozusagen zurecht verkleinert im mir angemessen scheinenden Maßstab, wie man es hier sehen kann …

    Ghost-Zeichnungen

    Das sind die von mir vor ca. einem Jahr begonnenen Pinselzeichnungen mit weisser Linoldruckfarbe auf schwarzem Karton (die kleineren auf dem BLACK BLACK-Zeichenblock, sehr schwarz im Vergleich, aber leider nur 40x62cm gross). Ich habe besonders letztes Jahr viele Masken und Köpfe gezeichnet, die aus Naturmaterial zu sein scheinen, welche ich noch zeigen werde. Hier zwei Exemplare der Ghost-Serie. Der Geist ist für mich mittlerweile alles das abwesend Anwesende, also in meinem Alter so einiges.

    Ghost/Moon, 2021, 70 x 100 cm

    … hier ein frisches meiner Weltall-Bilder, die ich sozusagen umgekehrt weiß auf schwarz zeichne oder besser male, mit sehr dünnen Pinseln und Linoldruckfarbe. Die hat den Vorteil, dass sie sich immer wieder mit Wasser anlösen läßt und man einiges später verändern kann.
    Es sind nichts als Krater und Bodenerhebungen darauf zu sehen, aber eigentlich sind es Pinselbewegungen, die nur im Zusammenspiel plastisch erscheinen. Der Rückzug ins All ist natürlich spätestens seit “2001 – Odyssee im Weltraum” (1968) eine Metapher für eine menschenwürdige Existenz in lebensfeindlicher Umgebung, nachdem der sogenannte Heimatplanet unbewohnbar gemacht worden ist.

    Funpark 4

    Das Thema des Luna- oder hier besser Hansaparks habe ich schon früher bearbeitet, aber die aktuellen Bilder (letztes Wochenende) sind besonders aus dem Eindruck, sich in einer schnellen oder weniger schnellen Schraube zu bewegen entstanden. Das Bewusstsein darüber, nicht aus dem Kreisel herauszukommen, ist wohl das, was die Leute verrückt macht …

    CoronaVision Westwerk 9.-18.3.21

    Heute in Corona-Zeiten würde man denken, es sei eine Kampagne der Bundesregierung, die jetzt unisono und ganz unverblümt verkündet, dass wir alle in Zukunft verzichten und Kontakt beschränken müssen, wenn dem Land noch zu helfen sein soll. „Verzichten“ wird deutlich ausgesprochen, aber es wird in freundliches, sonniges Gelb gehüllt. Soll sagen: Ist ja gar nicht so schlimm – verzichten tut nicht weh! Es ist eine Handschrift, auf der der Schriftzug basiert, kein glatter Werbeschriftzug. Jemand hat hier ein persönliches Bekenntnis abgegeben, ganz unemotional. Einfach eine Aussage, die uns zur Reaktion zwingt, schon indem wir uns fragen, ob das nun überhaupt eine Aufforderung an uns ist, oder ein Bericht – es ist so, wie die Wortwerke von Rupprecht Matthies durch ihre Präsenz Fragen an uns stellen können.

    Das Wort tritt schon massiv, selbstbewusst und auffordernd auf. Der proklamierte Verzicht erfährt jedoch noch eine Dramatisierung. Die abstrahierte Grotte auf der Zeichnung wandelt sich zum drohenden Gesicht, oder besser, zu einer raubvogelartigen Fratze. Die freundliche Aufforderung hat, das sieht man hier, seinen Grund. Nichts ist ohne Ursache. Das Dystopische, das sich sonst in den urbanen Szenen und Landschaften von Peter Boué findet, wendet sich hier direkt an den Betrachter und betrachtet zurück. So finden sich in seinen Zeichnungen des zurückliegenden Jahres eine Reihe von Naturdarstellungen besonders von Grotten und vulkanischen Landschaften, von denen einige selbst ihren Kommentar zur Lage abzugeben scheinen.

    Der Schriftzug „verzichten“ von Rupprecht Matthies wird in 12 Meter Breite in der Ausstellungshalle des Westwerks gezeigt, kombiniert mit der großformatigen Kreidezeichnung „Grotte II“ von Peter Boué.

    ISOLA

    Die zuletzt vorgestellte Ausstellung ISOLA im Klosterwall it jetzt auch nach Anmeldung zu besichtigen. Wie im Übrigen alles staatlichen Museen und Ausstellungshäuser und Galerien spätestens ab 12.3. wieder geöffnet sind, wenn auch nur unter vorheriger Anmeldung.